Zur Übersichtsseite "Dossiers"
30.04.2013

Klimawandel und Wirtschaft Der Klimawandel wird sich künftig verstärkt auf die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen auswirken. Wie greift die Wirtschaft den Klimawandel auf?

Das Projekt eukas: Entwicklung unternehmensbezogener Klimaanpassungsstrategien

Unternehmen werden als Mitverursacher des Klimawandels gesehen und durch gesellschaftliche Erwartungen oder regulatorische Vorgaben dazu gezwungen, Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen. Dies beinhaltet jedoch nur eine eingeschränkte Sicht auf das Thema. Unternehmen sind ebenso Betroffene des Klimawandels. Durch die sich immer stärker verändernden Klimaparameter wie die Jahresmitteltemperatur, die Niederschlagsmenge im Sommer oder Extremwetterereignisse kann langfristig gesehen der Unternehmenserfolg gefährdet sein. Damit das Unternehmen langfristig erfolgreich sein und zugleich seiner sozialen, ökologischen und ökonomischen Verantwortung nachkommen kann, muss es sich den neuen Herausforderungen stellen. Eine Möglichkeit dies zu bewältigen ist, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen und die Zukunft mit zu gestalten. „Voraussetzung ist natürlich, dass man weiß, wohin man will“, so Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für nachhaltige Entwicklung von 2001 bis 2010.

© Petair/iStock

© Petair/iStock

Zur Formulierung von Anpassungsstrategien braucht es also ein Wissen über die Zukunft – über das, was auf das Unternehmen zukommt, oder auf was es sich vorzubereiten gilt. Dieser Befund ist keineswegs trivial. Im Projekt „eukas – Entwicklung unternehmensbezogener Klimaanpassungsstrategien“, einem Teilprojekt des Forschungsvorhabens nordwest2050 (im Klimanavigaor verlinken oder zu www.nordwest2050.de) entstehen für die Unternehmen durchaus sehr verschiedene Ergebnisse oder Bilder einer möglichen Zukunft. So haben wir die Erfahrung gemacht, dass völlig neue Ideen in Form von z.B. neuen Geschäftsfeldern im Zuge der Auseinandersetzung mit dem anstehenden Klimawandel entstehen. Andererseits konnten wir auch feststellen, dass es Unternehmen gibt, die bereits Vorbereitungen für die Zukunft getroffen haben. Hier fokussierten die Firmen sich darauf, ihre (interne) Flexibilität auszuweiten, um auf unerwartete Ereignisse schnell reagieren zu können.

Anpassung an den Klimawandel ist dann möglich, wenn Unternehmen zuvor eine Vorstellung davon entwickeln, wie sich das Klima in Zukunft entwickeln wird. Hierfür haben Wissenschaftler globale sowie regionale Modellrechnungen entwickelt. Als Grundlage der Meteorologen wurde die weltweite Emissionsentwicklung herangezogen, die von vielen Faktoren wie z.B. der Größe der Weltbevölkerung, dem Wirtschaftswachstum und den technologischen Entwicklungen beeinflusst wird. Aufgrund der nur eingeschränkten Vorhersehbarkeit der Entwicklung der genannten komplexen Faktoren arbeitet die Wissenschaft mit Emissionsszenarien. Die Tatsache, dass das Emissionsverhalten nicht genau vorhergesehen werden kann, führt zu einer hohen Unsicherheit, wie sich der Klimawandel in Zukunft entwickeln wird. Die Herausforderung für Unternehmer ist es zu lernen, mit dieser Unsicherheit umzugehen und somit den Erfolg des Unternehmens langfristig zu sichern.

Entwicklung unternehmensbezogener Klimaanpassungsstrategien (eukas) – ein Prozess

Am eukas-Projekt beteiligten sich 20 Unternehmen aus verschiedenen Branchen (Ernährung, Hafen und Logistik, Energiewirtschaft sowie sonstige Branchen) Nordwestdeutschlands. Bei der Beratung dieser Unternehmen ist das Vorgehen bei der Erarbeitung der jeweiligen Klimaanpassungsstrategie gleich gewesen. Zunächst ging es darum herauszufinden, ob das Unternehmen überhaupt vom Wandel des Klimas betroffen ist. Hier hat der sogenannte <Quickcheck> eine sehr gute Orientierung geboten.

Im Anschluss an die Entscheidung des Unternehmens, an dem Vorhaben eukas zu partizipieren, ist dort jeweils ein Klimateam gegründet worden. Mit diesem Team sind anschließend alle Projektschritte in durch eukas-Mitarbeiter dialogisch moderierten Workshops durchgeführt worden. Das bedeutet, dass nach kleinen fachlichen Impulsen schnell in eine intensive Diskussion mit den Teilnehmenden eingestiegen wurde. Vorteile dieses Vorgehens liegen in erster Linie in der starken Beteiligungsorientierung. Die Mitarbeitenden sind von Anfang an sehr stark gefordert, ihre eigene Kompetenz und ihr Wissen über die Zusammenhänge der eigenen Organisation einzubringen. Eine Schwierigkeit in diesem Vorgehen liegt in der Ausgangserwartung auf Seiten der Unternehmen, die eine klare Expertensicht auf das Thema fordern. In der langen Sicht war das dialogische Vorgehen, das stark auf die Reflexionskräfte in dem Unternehmen setzt, richtig. Die Ergebnisse haben einen hohen Stellenwert in den Unternehmen bekommen.
Nach der Sensibilisierung wurde in den Unternehmen die konkrete Betroffenheit durch den Klimawandel identifiziert. Mit Hilfe des so genannten <eukaskopes> erkennen die Unternehmen ihre Betroffenheit in Form von Chancen oder Risiken und daraus resultierenden Handlungsfeldern. Nach der Festlegung der wichtigsten drei Themen werden diese den konkreten Klimaindikatoren zugeordnet und in entsprechenden <eukaszenarien> bearbeitet. Hier erkennt das Unternehmen konkrete Handlungsbedarfe. Diese werden anschließend in Maßnahmen in der <eukaskade> systematisch weiterverarbeitet.

Das konkrete Vorgehen lässt sich aus den nachfolgenden Abbildungen erkennen.

Entwicklung unternehmensbezogener Klimaanpassungsstrategien (eukas) – die Instrumente

Quickcheck
In zehn Fragen wird es dem Unternehmen ermöglicht herauszufinden, wie stark es vom Klimawandel sowohl positiv in Form von Chancen als auch negativ durch Risiken betroffen ist. Wissenschaftler haben in vielen veröffentlichten Studien zum Thema Klimawandel herausgefunden, dass die Betroffenheit, d.h. die Chance oder das Risiko eines Unternehmens je nach Branche sehr unterschiedlich sein können. Die Branchen Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft, Tourismus, Energie- und Wasserwirtschaft sowie Gesundheitswirtschaft sind beispielsweise stärker betroffen als Logistik, Immobilienwirtschaft, Bauwirtschaft, Metall- und Elektroindustrie, Automotive, Luft- und Raumfahrt, Groß- und Einzelhandel, Textilindustrie und sonstige Dienstleistungen, die am geringsten von diesem Thema berührt sind.

eukaskop
Zur strukturierten Sammlung, Bewertung und Diskussion von unternehmerischen Herausforderungen durch den Klimawandel entwickelten wir das Tool <eukaskop>. Der Name „eukaskop“ setzt sich aus eukas (Entwicklung von unternehmensbezogenen Klimaanpassungsstrategien) und Teleskop, mit dem Blick in die Zukunft, zusammen.

Abbildung eukaskop (Ausschnitt)

Abbildung eukaskop (Ausschnitt)

 Gesamtansicht eukaskop

Das eukaskop ist so aufgebaut, dass wir mit den Unternehmen auf Basis der Herausforderungskataloge dialogisch erarbeiten, wo sie vom Klimawandel in Zukunft betroffen sein werden. Die Herausforderungen der Unternehmen wurden in verschiedene Gruppen von Handlungsbedarfen, wie Klimawandel allgemein, Extremwetterereignisse oder regulatorische Änderungen strukturiert. Während die ersten beiden Gruppen einer direkten Betroffenheit entsprechen, weil Unternehmen von diesen Ereignissen direkt betroffen sind, sind regulatorische Vorgaben als indirekt zu klassifizieren. In einem weiteren Schritt wurden die Handlungsbedarfe konkretisiert und anschließend in Risiken und Chancen unterteilt.

Am Beispiel eines gewerblichen Unternehmens lassen sich verschiedene direkte Betroffenheiten und daraus folgende Handlungsbedarfe nachzeichnen. So führen Extremwetterereignisse wie Sturm und Starkregen in dieser Branche regelmäßig zu Verzögerungen in der Beschaffung. Gründe hierfür wären, dass Straßen oder Bahnschienen für längere Zeit nicht zur Verfügung stehen könnten. Durch Umfahren dieser Hindernisse oder das Warten könnte es zu Verzögerungen in der Anlieferung von Rohstoffen und Vorprodukten kommen und somit zu zeitlichen Problemen in der Produktion. Folge wären zusätzliche Kosten und unter Umständen unzufriedene Kunden.

eukaszenarien
”If you don‘t think about the future, you cannot have one” (John Galsworthy).
Niemand wird bestreiten, dass Unternehmen einen Blick in ihre Zukunft werfen müssen – sich mit einem komplexeren Markt auseinandersetzen und erkennen, wie sich der demografische Wandel auf die Rekrutierungssituation auswirken wird oder welche neuen gesetzlichen Vorschriften zu Investitionen führen werden. Gerade vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Unternehmensausrichtung bekommt diese Auseinandersetzung mit der Zukunft eine besondere Bedeutung.

Aber wie weit kann man ernsthaft in die Zukunft schauen? Die meisten der uns bekannten Unternehmen bewegen sich in Zwei- bis Fünf-Jahresbetrachtungen. Die Szenarien, mit denen wir in eukas gearbeitet haben, beziehen sich jedoch auf Zeiträume von 50 bis 70 Jahren. Hier zeigte sich dann auch schnell das erste Problem, denn je weiter die Eintrittsszenarien in der Zukunft liegen, desto weniger fühlen sich die Menschen betroffen. Frei nach dem Motto „Im Jahr 2075 bin ich doch nicht mehr hier!“ sinkt der Glaube an eigene Mitgestaltung.

Abbildung eukaszenario (Ausschnitt)

Abbildung eukaszenario (Ausschnitt)

 Gesamtansicht eukaszenario

Das zweite Problem steckte dann sehr deutlich in der Interpretation der Klimaindikatoren. Was bedeuten konkret 42 zusätzliche Sommertage mit mehr als 25°C Spitzentemperaturen für die unternehmerischen Abläufe? Und werden wir dann vielleicht technische Lösungen haben, die wir uns zurzeit nicht einmal vorstellen können?

Genau in dieser Dynamik zeigte sich die Stärke des dialogischen Ansatzes in den jeweiligen Unternehmensworkshops. Ausgehend von den regionalen Klimaszenarien gewannen die Diskussionen in den Unternehmen schnell konkrete Dimensionen. Denn die Frage „Mit welchen Produkten, in welchen Geschäftsmodellen und welchen Prozessabläufen wirtschaften wir im Jahr 2075, wenn diese Umweltbedingungen herrschen?“ führte unweigerlich zu sehr handfesten Prognosen.
So konnten wir in einem Logistikunternehmen sehr schnell erkennen, dass Waren, die zur Zeit unter Plane gefahren werden, in der uns nun prognostizierten Zukunft temperaturgeführt transportiert werden müssen. Daraus ließ sich dann ein konkretes Investitionsverhalten im Unternehmen ableiten – und das ausgerichtet auf die nächsten 50 Jahre. In einem anderen Fall – einem Garten- und Landschaftsbauunternehmen – wurde erkannt, dass sich die Ausrichtung auf den Anbau und den Import von tropischen Pflanzen und die Gestaltung von mediterranen Gärten für die norddeutsche Region wirtschaftlich lohnen wird. Maßnahmen aus dieser Erkenntnis waren daher die Etablierung neuer Einkaufsbeziehungen, entsprechende Qualifizierung des eigenen Personals und eine Änderung der Marketingaktivitäten.

Zusammenfassend haben wir in den Klimateams mit trockener und wärmer werdenden Sommern, feuchteren und wärmeren Wintern, zunehmenden Starkregenereignissen und Hitzeextremen, häufigeren Sturmtagen und zunehmenden maximalen Windgeschwindigkeiten sowie steigenden mittleren Meeresspiegel und Tidehochwasser gerechnet. Konkrete Zahlen und Fakten zu den regionalen Klimaveränderungen sind dem Factsheet Nr.1 aus dem Mai 2010 zu entnehmen.

eukaskaden
Eine Verankerung von betrieblichen Maßnahmen zur Anpassung der Organisation an den Klimawandel ist die nächste große Herausforderung des eukas-Prozesses. Denn eine formulierte Strategie ohne die Berücksichtigung der internen Widerstände ist wenig wertvoll. Bucher, Holstein und Campell haben in ihren Untersuchungen herausgefunden, dass zwischen 70 und 90 Prozent der Unternehmen große Probleme mit der Umsetzung von Strategien haben. Sie führen aus, dass sieben von zehn CEOs nicht an falschen Strategien sondern an Problemen bei deren Umsetzung scheitern. 80 Prozent der Führungskräfte seien zwar überzeugt, dass ihr Unternehmen die richtige Strategie hat, aber nur 14 Prozent sind der Meinung, dass diese auch richtig umgesetzt wird.
Nach Abschluss der Arbeit in den eukaszenarien galt es, in den Klimateams nun wieder den Boden zu betreten, auf dem unternehmerisch denkende Menschen sich wesentlich wohler fühlen – die Maßnahmenebene.

Die eukaskade ist das Instrument zur Dokumentation und Entwicklung der identifizierten Anpassungsstrategien. Sie ist so aufgebaut, dass die Maßnahmen in mehreren Kaskaden formuliert werden müssen. Eine Kaskadierung bezeichnet in diesem Fall ein wasserfallartiges Vorgehen, durch welches die Neuerungen für die jeweilige Organisationseinheit bis hin zum einzelnen Mitarbeitenden erlebbar und konkret werden. Dieser mehrstufige und rückkoppelnde Prozess benötigt Zeit, bis er alle Mitarbeitenden erreicht. Dabei können die Kaskaden sowohl unternehmensintern in die Breite der Organisation, über die verschiedenen Hierarchieebenen ausgerichtet als auch auf die Zeitlichkeit der Umsetzung bezogen sein.

Darüber hinaus ist es in den Unternehmen möglich, die Kaskaden in Form von Reifegraden zu interpretieren. Das bedeutet, dass die Erreichung einer Maßnahme und deren Realisation die Voraussetzung für die nächste Kaskade von Maßnahmen ist.

Ziel dieser Art der Strategieumsetzung ist es, das Bild der künftigen Organisation zu erfolgreichem Handeln in der Fläche entstehen zu lassen. Dazu müssen die neuen Vorstellungen, Aktionen, Verhaltensweisen und Prozessabläufe über die einzelnen Ebenen der Organisation hinweg „kaskadiert“ und in der Fläche der Organisation verbreitet werden.

Zunächst haben die Diskussionen in den Workshops mit den eukaszenarien gezeigt, dass es schwierig ist, eine eher unbekannte Zukunft zu beschreiben. Bei der Formulierung der aufeinander folgenden Maßnahmenkaskaden fiel es den Klimateams wieder deutlich einfacher, konkret zu werden. Zu diesem Zeitpunkt spielte es auch keine Rolle mehr, dass einige Maßnahmen erst für das Jahr 2020 geplant worden sind. Die Langfristigkeit und Nachhaltigkeit des Vorgehens war akzeptiert. Das Instrument der eukaskade lässt sich in der nachfolgenden Abbildung erkennen

Abbildung eukaskade (Ausschnitt)

Abbildung eukaskade (Ausschnitt)

 Gesamtansicht eukaskade

Ergebnisse aus den Unternehmensprojekten

Bei allen 20 Unternehmen haben wir herausgefunden, dass sich insbesondere vier Handlungsfelder herauskristallisieren, in denen Anpassungsstrategien entwickelt wurden. Das ist zum einen die Frage nach einer sicheren Logistik im Beschaffungs- aber auch Absatzmarkt, zum zweiten die Sorge um gesunde Beschäftigte im Sinne neuer Arbeitszeitmodelle oder vorbeugenden Arbeitsschutzes. Aber auch die Entwicklung strategischer Allianzen zur nachhaltigen Sicherung von Ressourcen sowie neuer Beschaffungsmärkte spielt eine wichtige Rolle bei der unternehmerischen Vorbereitung. Ein vierter Bereich betrifft die Chancen in Form neuer bzw. geänderter Geschäftsideen oder -modelle. Genaue Ergebnisse des eukas-Projektes können bei den Autoren dieses Artikels angefragt werden.

Während der Unternehmerdialoge wurde uns immer wieder bestätigt, dass die intensive Auseinandersetzung mit der Zukunft des eigenen Wirtschaftens vor dem Hintergrund des Klimawandels neue Perspektiven und Ideen in den Unternehmen gebracht hat. Einen neuen Blick auf die Herausforderungen der Zukunft bekommt eben nur der, der einen entsprechenden Blick wagt.

Autoren
Autoren Karczmarzyk
André Karczmarzyk
C3 [Kubik_C] Communication and Change Companions


Autoren Pfriem
Prof. Dr. Reinhard Pfriem
Institut für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik
Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensführung und Betriebliche Umweltpolitik
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Autoren Stagge
Martina Stagge
ecco ecology + communication Unternehmensberatung GmbH