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11.08.2015

Klimawandel, Migration und Sicherheit Der Klimawandel bringt nicht nur Ökosysteme durcheinander, er bedroht auch die Lebensgrundlage vieler Menschen.

Entwicklung von Rechtsstrategien für den Umgang mit Umweltzerstörung, Mobilität der Menschen und Entwicklung

Einleitung

Im Rahmen der Migrationsforschung wird ein wiederauflebendes Interesse an Umweltthemen als externer Auslöser für die Mobilität von Menschen beobachtet. Forschungsbedarf wird insbesondere hinsichtlich der Frage gesehen, wie die schrittweise Transformation von Governance-Strukturen in modernen Regulierungsprozessen die Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Migration beeinflussen wird. Trotz anhaltendem Interesse wurde seitens der Wissenschaft bisher jedoch kaum die Chance genutzt, auf die Notwendigkeit neuer Richtlinien in Bezug auf die Mobilität von Arbeitskräften hinzuweisen, die normativen Folgen dieser wechselseitigen Abhängigkeit zu untersuchen und auf die Bedeutung neuer Akteure bei der Entwicklung solider und effektiver rechtlicher Rahmenbedingungen für den Umgang mit Umweltzerstörung aufmerksam zu machen.

Umweltveränderungen, Mobilität der Menschen und Entwicklung

In den vergangenen Jahren wurden Untersuchungen zum Verständnis und zur Bewertung der Zusammenhänge zwischen Umweltzerstörung (definiert als langsam ablaufende Katastrophen wie Klimawandel, Anstieg des Meeresspiegels, zunehmende Versalzung) und der Mobilität der Menschen auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene verstärkt vorgenommen.

Die im Oktober 2012 gegründete Nansen-Initiative und die Europäische Kommission (Europäische Kommission, 2013) konzentrieren sich auf die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Migration und Umwelt und erörterten den wissenschaftlichen Konsens in Bezug auf deren Wirklichkeit, Dringlichkeit und Bedeutung. Insbesondere die Europäische Kommission brachte die Diskussion stärker in einen Zusammenhang mit dem Migrationsrecht und dem Völkerrecht, indem sie aufzeigte, dass die Förderung einer gut gesteuerten Mobilität von Menschen und von Arbeitskräften aus ökologisch zerstörten Gebieten eine effektive Strategie zur Verringerung umweltbedingter Vertreibungen darstellen kann (Foresight, 2011, Europäische Kommission, 2013).

Die Entwicklungen, die sich hinsichtlich der Themen "Verluste und Schäden" auf der 18. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) im Jahr 2012 abzeichneten, eröffneten die Chance, "loss and damage" mit Migration zu verbinden (1).

Insbesondere die Annahme von Paragraph 7 (a) (vi) des Beschlussentwurfes --/CP.18 erkennt die Notwendigkeit weiterer Forschungen und Arbeiten zur Verbesserung des Verständnisses, [...] inwiefern Auswirkungen des Klimawandels Migrationsmuster, Vertreibungen und die Mobilität von Menschen beeinflussen (IOM, 2013), an.

    (1) In diesem Zusammenhang verwenden wir folgende Definition für das "Verlust und Schaden"-Konzept: "Die tatsächliche und / oder potentielle Manifestation von Klimafolgen, die sich negativ auf menschliche und natürliche Systeme auswirken, die entweder behoben (Schaden) oder nicht behoben (Verlust) werden können" (IOM, 2013). Im Rahmen des Pilotprojektes „Where the rain falls“ (Warner et al., 2012) konnten wir zum Beispiel zwei bedeutende Trends identifizieren, wo Umweltveränderungen die Nahrungsmittelsicherheit beeinflussen und wie diese Faktoren mit der menschlichen Mobilität interagieren. Während "Verluste und Schäden", die durch Umweltzerstörung verursacht wurden, Zwangsmigration auslösen kann (z.B. anhaltende Trocken- oder Regenzeiten, Dürren oder Überschwemmungen, Verlust von bewohnbarem Land), kann Zwangsmigration auch "Verluste und Schäden" verstärken (z.B. kulturelle, soziale, potenzielle Verluste und Störungen von Basisdienstleistungen wie Bildung).

      Darüber hinaus schlagen einige Wissenschaftler in diesem Zusammenhang die Einführung eines neuen Rechtsinstruments, des sogenannten „Hybrid-Ansatzes", vor (Corendea, 2008). Der Hybrid-Gedanke reagiert auf nebeneinander bestehende Verpflichtungen aus verschiedenen Bereichen des Völkerrechts (z.B. Flüchtlingsrecht, Umweltrecht, Menschenrechte). Dieser Ansatz erscheint vielversprechend, um einige spezifische Rechtslücken, wie beispielsweise das Fehlen von Rechten auf Freizügigkeit, zu schließen, die Entwicklung des theoretischen Rahmens befindet sich jedoch noch in den Anfängen, und es stehen nur wenige Daten und Informationen zur Verfügung, um den Mehrwert vollständig verstehen zu können (Corendea, 2008).

      Letztendlich bietet das vor kurzem durch die International Law Commission ins Arbeitsprogramm aufgenommene Thema " Protection of persons in the event of disasters" eine zusätzliche Chance, dieses Thema zu diskutieren (Kaelin und Schrepfer, 2012).

      Im Rahmen dieser Debatte werden sich die kleinen Inselstaaten, häufig als „sinkende Inseln" dargestellt, bewusst, dass sie aufgrund ihrer direkten Betroffenheit eine wichtige Rolle in dem sich entwickelnden Diskurs spielen, welche normativen Implikationen diese Umweltfaktoren für heutige, auf Migration reagierende Regulierungen und Governance-Strukturen beinhalten (Geddes, 2012). Es ist wenig bekannt, dass Inselstaaten auf regionaler Ebene versuchen, legale Arbeitsmobilität zu verstärken, weil sie eine Möglichkeit zur Verhinderung von Vertreibung und Verringerung der Verwundbarkeit gegenüber den Auswirkungen bereits stattfindender Umweltveränderungen ist.

      Im August 2012 begannen die Inselstaaten des Pazifik-Forums im Rahmen des Pacific Islands Countries Trade Agreement (PICTA) mit der Entwicklung eines Regelwerkes zur vorübergehenden Einreise natürlicher Personen (Temporary Movement of Natural Persons), um die Freizügigkeit für Arbeitskräfte und den Wissenstransfer in dieser Region zu verstärken. Die Pacific Immigration Directors' Conference (PIDC) betrachtet dies als ein zentrales Element zur Gestaltung des Handels mit Dienstleistungen (PIDC, 2010).

      Trotz aller Fortschritte zum Verständnis dieses komplexen und multikausalen Prozesses der Wechselwirkungen zwischen Umweltfaktoren und Migrationsbewegungen wurde der mögliche Nutzen der bestehenden rechtlichen Konzepte und Werkzeuge bisher kaum untersucht. Dies gilt insbesondere für die regionale Integration sowie Handelsabkommen zwischen den Kontinenten mit besonderem Schwerpunkt auf der vorübergehenden Einreise natürlicher Personen. Die Liberalisierung des Handels wird seitens der Einwanderungspolitik oft als Ansatz für einen Paradigmenwechsel in der Governance von Migration vernachlässigt. Und doch scheint es, dass Handelsministerien Freihandelsabkommen als eine Möglichkeit nutzen, um Qualifikationsdefizite und Arbeitskräftemangel abzubauen, ohne unter die Einschränkungen der Einwanderungsgesetze zu fallen, die einem mühsamen Gesetzgebungsprozess unterliegen. Es erscheint wichtig zu untersuchen, welchen Mehrwert Handelsabkommen als flexiblere Ad-hoc-Alternativen für die kleinen Inselstaaten haben können, um traditionelle Bereiche der Migrationspolitik zu umgehen oder zu ergänzen.

      Mobilität von Menschen als Anpassungsstrategie an Umweltveränderungen?

      Im Rahmen der sogenannten „Push and Pull“-Dynamiken erarbeiten die Länder, die erheblich durch Umweltveränderungen beeinträchtigt werden, befristete Mobilitätsprogramme. Sie sollen die Wanderungsmöglichkeiten der Menschen verbessern und Investitionen in Humankapital (Bildung) und Unternehmensentwicklung fördern, wodurch sich wiederum die Möglichkeit eröffnet, die Entscheidungsfreiheit und Produktivität zu erhöhen (Klepp und Herbeck, 2012). Die Regierung von Kiribati auf den Inselgruppen im Südpazifik ist zum Beispiel an verschiedenen Migrationsprogrammen beteiligt und hat Ad-hoc-Bildungs- und Weiterbildungsprogramme für die Bevölkerung entwickelt, so dass diese nachfolgend zur Wirtschaft ihres potenziellen Ziellandes beitragen können. Im Jahr 2002 schuf Neuseeland eine jährliche Arbeitsmigrationsquote (Pacific Access Category) für die Pazifikinseln Tuvalu und Kiribati.

      Darüber hinaus gibt es zunehmend Literatur zur Verbesserung des Verständnisses und der Interpretation der Mobilität von Menschen als eine mögliche Strategie der Anpassung an Umweltzerstörung auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene. Abschätzungen der tatsächlichen und erwarteten Ströme als Folge langsam einsetzender natürlicher Veränderungen deuten in der Tat daraufhin, dass der Druck in Richtung Mobilität von Arbeitskräften über die Grenzen der Nachbarländer zunehmen wird (IPCC, 2012). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) spielt im Zusammenhang von Klimawandel und Migration eine wichtige Rolle. Diese Bedeutung hat sich durch die Resolution des IOM Council zum „Migration Crisis Operational Framework“ (IOM 2012) erhöht. Gemeinsam mit verschiedenen WissenschaftlerInnen wirbt sie für befristete Mobilitätsprogramme, wie sie zum Beispiel für Spanien und Kolumbien entwickelt wurden, als bewährte Verfahren zum Umgang mit Naturkatastrophen (De Moor, 2011). Die meisten Voruntersuchungen befassten sich mit der Notwendigkeit, normative Lösungen hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Mobilität und Naturkatastrophen zu finden (De Moor, 2011). Detaillierte Analysen des Rechtsgehaltes bereits existierender Instrumente und ihrer Auswirkungen auf die nationale Migrationspolitik kamen eher zu kurz. Auch mit den aktuellen, kritischen Debatten, die in Untersuchungen zu den Menschenrechtsimplikationen dieser spezifischen Instrumente aufgeworfen wurden, beschäftigte man sich zu wenig. Schwierigere Fragen sind wenig erforscht, wie der erhebliche Einfluss dieser Instrumente auf den Schutz der Menschenrechte von Migranten im Zielland und der allgemeine Mangel an soliden rechtlichen Analysen der Migrationsbestimmungen dieser Abkommen.

      Im Rahmen früherer Forschungen zu den "sinkenden Staaten" wurde betrachtet, inwiefern der Klimawandel deren Auslöschung hervorrufen kann, insbesondere unter Berücksichtigung der Herausforderungen, welche die Bürger der tief liegenden Inselstaaten bewältigen müssen (Ruggeri Abonnat, 2012). Eine derartige Situation könnte in der Tat eine Form der Staatenlosigkeit herbeiführen, die nie zuvor in der Geschichte vorgekommen ist, die ernsthafte Bedenken sowohl im Hinblick auf die Mobilität und Umsiedlung von Volksmassen als auch wichtige rechtliche Fragen in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte aufwirft. Die juristische Debatte ist noch viel zu neu, um konkrete Lösungen aufzuzeigen oder zu erarbeiten, und es bleibt zu diesem Zeitpunkt unklar, wie internationales Recht die betroffenen Personen schützen würde (Special Rapporteur on the Human Rights of Migrants, 2012). Außerdem sind Migrationsstrategien bei den Bürgern der tief liegenden Staaten traditionell weit verbreitet. Es sollten die damit verbundenen Auswirkungen und die wesentlichen Konsequenzen für die Menschenrechte in Bezug auf die Mobilität in den Zielländern weiter untersucht werden (z.B. Recht auf Verbleib, Recht auf Rückkehr, Recht auf Gesundheit, Recht auf Wohnung). Die heutige Debatte muss sich statt auf Staatenlosigkeit vielmehr auf die spezifischen Herausforderungen konzentrieren, die eine legale Aufnahme der Bürger dieser Inselstaaten und die Wahrung ihrer Rechte in dem aufnehmendem Land bedeuten. So knüpft das Problem der "verschwindenden Staaten" stärker an eine allgemeinere Diskussion über die Notwendigkeit eines neuen Rechtsrahmens an, wie zum Beispiel die Verabschiedung einer neuen Art Nansen Pass (Heyward und Odalen, 2013) als ein vielversprechendes Mittel, wie man die betroffene Bevölkerung unterstützen und schützen kann.

      Handlungsbedarf besteht darüber hinaus, bereits vorhandene Regulierungen zur Mobilität zu aktivieren und eine freie, geregelte und sichere Mobilität zu fördern. Es scheint insbesondere zunehmend schwierig, Zugang zu diesen befristeten Mobilitätsprogrammen zu erhalten. Deren Einfluss auf die Migration ist derzeitig nur gering. Beispielsweise nahmen in den ersten zwei Jahren nur 215 Personen an dem „Pacific Seasonal Worker Pilot Scheme" teil, obwohl das Pilotprojekt insgesamt ein Kontingent von 2.500 Kurzzeit-Arbeitsvisa für Arbeiter aus Kiribati, Papua-Neuguinea, Tonga und Vanuatu für die Arbeit in der australischen Gartenbauindustrie zur Verfügung stellte (Gibson und McKenzie, 2011).

      Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Saisonarbeiterprogrammen, wie z.B. bei dem „Recognised Seasonal Employer"- Programm oder der „Pacific Access Category", die von Neuseeland mit den kleinen pazifischen Inselstaaten abgeschlossen wurden (Gibson und McKenzie, 2010), waren bisher nur Gegenstand weniger Studien.

      Schlussfolgerungen

      Es bestehen eine Reihe offener Fragen, wie z.B. zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Umweltmigration begegnen kann. Es könnte sich lohnen, die bestehenden Mechanismen zur Migration weiter zu untersuchen und zu bewerten, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, welche Arten von Rechtsnormen und institutionellen Rahmenbedingungen die Arbeitskräftemobilität bereits regeln. Darüber hinaus ist ein besseres Verständnis hinsichtlich des Umfanges erforderlich, in dem die fortschreitende Liberalisierung der Freizügigkeit von Personen und des Handels und Finanzsektors pro-aktive Bewältigungsstrategien für verletzliche Bevölkerungsgruppen in den betroffenen Ländern erleichtern wird.

      Autor

      Dr. Elisa Fornalé
      World Trade Institute, Bern

      Quellen, weiterführende Literatur