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25.07.2013

Wahrnehmung des Klimawandels Klimawandel findet auch in unseren Köpfen statt. Jeder von uns nimmt das Thema je nach persönlichem oder beruflichem Hintergrund unterschiedlich wahr.

Deutsche Kommunen

Selbst wenn nationale und internationale Bemühungen um Emissionsminderungen perspektivisch eine Begrenzung der globalen Erwärmung ermöglichen sollten, lässt sich der Klimawandel gegenwärtig nicht mehr vollständig aufhalten. Nicht nur Klimaschutz, sondern auch Anpassung an unvermeidbare Folgen des Klimawandels sind daher gesamtgesellschaftliche Aufgaben, der sich private und staatliche Akteure gemeinsam annehmen müssen.

© DOC RABE Media/fotolia

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Der politische Rahmen zur Anpassung sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene wurde in den letzten 20 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Schon im ersten Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) von 1990 wird Anpassung an den Klimawandel als strategische Handlungsoption benannt. Auch in der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen hat sich die internationale Staatengemeinschaft dazu verpflichtet, „Vorsorgemaßnahmen“ zu „treffen, um den Ursachen der Klimaänderungen vorzubeugen, sie zu verhindern oder so gering wie möglich zu halten“. Seit der UN-Klimakonferenz 2010 in Cancún existiert zudem ein Rahmenabkommen zur Anpassung an den Klimawandel, das zur systematischen Umsetzung sämtlicher Anpassungsbelange aus der Klimarahmenkonvention und zum Aufbau einer entsprechenden Finanzierungsarchitektur beitragen soll.

Auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission 2009 das Weißbuch „Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer Aktionsrahmen" veröffentlicht. Demnach sollen in einer ersten Phase bis 2012 Grundlagen für eine europaweite Anpassungsstrategie festgelegt und ab 2013 umgesetzt werden. Seit der Vorlage der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) von 2008 existiert auch für Deutschland ein Rahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels, der verschiedenen Handlungsebenen des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie Bürgern und Unternehmen als Orientierung dient. Ende 2011 wurden die Ansätze der DAS durch den „Aktionsplan Anpassung“ (APA) konkretisiert. Der Aktionsplan Anpassung ist derzeit das zentrale Dokument, welches die politische Richtung des Anpassungsprozesses in Deutschland darlegt. Er fordert gemäß dem grundsätzlich privaten Charakter von Anpassung ein hohes Maß an Eigenverantwortung und benennt Gemeinden als zentrale Akteure bei der Anpassung an den Klimawandel.

Gemeinden im Klimawandel

Die deutschen Städte und Gemeinden spielen bei der Bewältigung des Klimawandels eine entscheidende Rolle. Sie sind vom Klimawandel besonders betroffen, haben aber aufgrund ihrer Vielzahl an Kompetenzen und ihrer Bürgernähe auch eine besondere Verantwortung beim Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen.

Gemeinden erfüllen eine Vielzahl an Aufgaben beispielsweise in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Wirtschaftsförderung, Verkehr, Kultur, Sport, Jugend, Wasser- oder Energieversorgung und sichern so die Grundversorgung der Bürger vor Ort. Die Aufgabenerfüllung geschieht dabei häufig in eigener Verantwortung im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung oder aber in der Rolle der Gemeinden als ausführende Instanz des Bundes und der Länder. Viele der kommunalen Aufgaben und Leistungen werden durch die Folgen des anthropogenen Klimawandels berührt, weshalb sowohl Klimaschutz als auch Klimaanpassung zunehmend Raum in der kommunalpolitischen Praxis einnehmen. Zur Bedeutung des Klimawandels für die lokale Ebene wurden wurden von Juni bis August 2011 bundesweit Kommunalvertreter auf der Ebene von Gemeindeverbänden und Einheitsgemeinden postalisch zu Aspekten der Klimaanpassung befragt. 317 Personen nahmen an der Befragung teil. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse insbesondere hinsichtlich der zunehmenden Relevanz von Klimafolgen korrespondieren mit denen internationaler Studien, beipielsweise in Dänemark oder den Niederlanden (z.B. [1] Van den Berg, 2011 oder ClimateChangeAdaption, Dänemark).

 ClimateChangeAdaption (Dänemark)

Bedeutung von Klimafolgen und Handlungsstrategien in der Verwaltung

Die Ergebnisse der IW-Kommunalbefragung aus dem Jahr 2011 zeigen, dass 60% aller Kommunen sich nicht nur mit dem Thema Klimawandel auseinander gesetzt haben, sondern auch, dass viele Kommunen bereits aktiv handeln (Abbildung). Denn ebenfalls rund 60% geben an, eine Klimaschutzstrategie zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu verfolgen. Etwas weniger ausgeprägt ist hingegen die Vorbereitung auf erwartete Folgewirkungen durch klimatische Veränderungen. Obwohl spätestens 2030 über 90% der Kommunen in Deutschland mit Klimaveränderungen rechnen, verfolgen heute nur 37% eine Strategie der Anpassung. Innerhalb dieser Gruppe können die Großstädte als Vorreiter bezeichnet werden. Hier geben mit rund 60% überdurchschnittlich viele Gemeinden an, einer Anpassungsstrategie nachzugehen. Ebenso bei Mittelstädten, wo immerhin noch 40% die Frage nach Anpassungsaktivitäten bejahten. Der Anteil bei noch kleineren Gemeinden hingegen liegt zwischen rund 26 und 38%. Klimaschutz wird insgesamt von 58% der deutschen Gemeinden in kommunales Verwaltungshandeln integriert und damit deutlich häufiger als Anpassung. Der Reduktionsstrategie haben sich sogar 100% der Großstädte verpflichtet, wohingegen es in kleineren Gemeinden (Kleinstädte, Landstädte, ländliche Gemeinden) nur höchstens knapp 49% sind.

Bedeutung des Klimawandels in Städten und Gemeinden in Bezug auf direkte oder indirekte Klimafolgen, Angaben in Prozent,  eigene Darstellung auf Basis der IW-Kommunalbefragung 2011

Bedeutung des Klimawandels in Städten und Gemeinden in Bezug auf direkte oder indirekte Klimafolgen, Angaben in Prozent, eigene Darstellung auf Basis der IW-Kommunalbefragung 2011

Die Rolle der Kommunen beim Klimaschutz wurde schon sehr viel länger politisch adressiert und ist wissenschaftlich bearbeitet. Anpassung auf kommunaler Ebene erhält zwar zunehmend Eingang in kommunale Beratungsangebote zu Klimaschutzaktivitäten, findet dort jedoch bisher nur am Rande Erwähnung. Dennoch können solche Einrichtungen, kommunale Spitzenverbände und andere kommunalen Vertretungen, die bereits im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit aktiv wichtige Multiplikatoren auch für Anpassung sein. Dazu zählen beispielsweise auch das europäische Netzwerk von Städten, Gemeinden und Landkreisen zum Schutz des Weltklimas (Klimabündnis) oder auch ICLEI (Local Governments for Sustainability), ein weltweiter Verband von Städten, Gemeinden und Landkreisen für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung. Neben dem erst langsam stattfindenden Wandel in der Wahrnehmung ist noch ein weiterer Aspekt bei der Beurteilung der zurückhaltenden kommunalen Anpassungsaktivitäten zu berücksichtigen: Der kommunale Klimaschutz kann weitestgehend auf eine klimaschonende Energieversorgung und eine sparsame Energieverwendung eingegrenzt werden. Der Handlungsraum für kommunale Anpassung hingegen ist der Sache nach deutlich komplexer, da Auswirkungen des Klimawandels sehr vielfältig, lokalspezifisch und multikausal sind.

Die heutige Wahrnehmung der Klimafolgen spielt für angestoßene Anpassungsprozesse eine wichtige Rolle. Wie erwähnt, bereitet sich über ein Drittel der Städte schon heute auf den Klimawandel vor. Und zwar vor allem diejenigen, für die die Folgen des Klimawandels heute schon relevant sind. Auch das trifft am stärksten auf die größeren Städte zu. Insgesamt sehen sich 37% der Kommunen heute mit klimatischen Folgewirkungen konfrontiert, wobei der Anteil in der Gruppe der Großstädte doppelt so hoch ist. Das kann ein Stück weit zur Erklärung ihrer Stärke bei der Klimaanpassung beitragen.

Die Wahrnehmung von Klimafolgen bei den Verwaltungsvertretern bezieht sich zum Einen auf natürlich-physikalische Aspekte, wie beispielsweise zunehmende Extremwetter. Potenzielle oder bereits erfahrene Schäden durch Hochwasser, Hitzeperioden oder Stürme haben Einfluss auf das Risikobewusstsein der Entscheidungsträger vor Ort. Solche Ereignisse können zwar nicht eindeutig als Folge des Klimawandels eingeordnet werden, dürften jedoch von den Befragten in einen solchen Zusammenhang gebracht werden. Schließlich werden mit dem Klimawandel meistens häufigere und stärkere Extremwetter assoziiert. Bei Mittelstädten und kleineren Gemeinden sind es unter 40% der Befragten, die klimatischen Veränderungen bzw. deren Vorboten schon heute Bedeutung einräumen. Auch indirekte klimawandelbedingte Veränderungen in Form von neuen Regularien und marktlichen Prozessen gehen in diese Überlegung mit ein.

Unterscheidung zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung in Gemeinden

Die Kommunalbefragung gab auch Aufschluss darüber, ob das Thema Anpassung mit seinen politischen Implikationen auf kommunaler Ebene überhaupt angekommen ist. Die Ergebnisse fördern in Bezug auf unterschiedliche Städtetypen ein sehr heterogenes Bild zu Tage. Über zwei Drittel der Vertreter ländlicher Gemeinden kennen den Begriff der Anpassung nicht, wohingegen alle Großstädte mit der Unterscheidung zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung vertraut sind. Insgesamt ist jeder zweiten Kommune der Begriff der Anpassung nicht bekannt. Die Berechtigung der Begriffsunterscheidung wird jedoch von einer großen Mehrheit bestätigt: Über 90% der Kommunen stimmen der Wichtigkeit dieser Unterscheidung im Umgang mit dem Klimawandel zu.

Anteile der Gemeinden, denen die Unterscheidung zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung bekannt ist, eigene Darstellung auf Basis der IW-Kommunalbefragung 2011

Anteile der Gemeinden, denen die Unterscheidung zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung bekannt ist, eigene Darstellung auf Basis der IW-Kommunalbefragung 2011

Klimaschutz wird also bereits bei einer Mehrheit der deutschen Gemeinden großgeschrieben, wohinter deren Anpassungsaktivitäten deutlich zurück bleiben. Das kann insofern als Anpassungslücke interpretiert werden, als dass Klimafolgen perspektivisch für einen deutlich größeren Teil deutscher Gemeinden erwartet und relevant sein werden. Grundsätzlich verfügen Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung über eine Vielzahl an Kompetenzen, um Anpassungsangelegenheiten eigenständig und individuell zu gestalten, zu planen und durchzuführen. Selbst Anpassungsbelange, die auf höherer politischer Ebene festgelegt werden, müssen letztlich auf kommunaler Ebene umgesetzt werden, auch deshalb, weil Klimaveränderungen lokal bzw. regional unterschiedlich wirken. Gerade kleinere Gemeinden gilt es, für die Möglichkeiten einer klimawandelgeeichten kommunalen Daseinsfürsorge zu sensibilisieren und auf dem Weg dahin zu unterstützen.