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15.07.2021

Klimawandel in Norddeutschland Welche Entwicklung lässt sich bereits in den Beobachtungen nachvollziehen und was zeigen die Szenarien?

Deutsche Nord- und Ostseeküste

Steigende Wassertemperaturen und höhere Wasserstände lassen sich schon heute deutlich erkennen – diese Entwicklungen werden sich künftig weiter fortsetzen.

© Michael Fritz

© Michael Fritz

Die Wassertemperatur und der Salzgehalt der Nordsee werden durch die großräumige atmosphärische und ozeanografische Zirkulation, durch den Energieaustausch mit der Atmosphäre sowie durch die Süßwassereinträge von Weser und Elbe bestimmt. Kälteste Wassertemperaturen treten im Februar mit derzeitigen (1968–2015) Minima von 3,5 °C auf. Die sommer­liche Erwärmung beginnt derzeit im Mai. Im August sind die Oberflächentemperaturen in der Deutschen Bucht am höchsten und erreichen derzeit (1968–2015) maximale Werte von 17,8 °C.

Die Meeresoberflächentemperatur hat sich in der Deutschen Bucht und in der Nordsee in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Ein sprunghafter Temperaturanstieg setzte Ende der 1980er­ Jahre ein. Der Salzgehalt wird in der Deutschen Bucht stark durch die Abflussmengen der in die Nordsee mündenden Flüsse geprägt. Diese können von Jahr zu Jahr deutlich schwan­ken. So können schneereiche Winter im Einzugsbereich der großen Flüsse im März/April zu großen Abflussmengen führen. Diese verringern dann den Salzgehalt des Küstenwassers deutlich. Die jährlichen Abflussraten der Elbe (z. B. am Pegel Neu Darchau) schwankten innerhalb der letzten Jahrzehnte stark und weisen bisher keinen eindeutigen Trend auf. Dem­ entsprechend hat sich auch der Salzgehalt in der Deutschen Bucht bisher nicht systematisch verändert.

Für die künftige Entwicklung weisen zahlreiche Studien auf einen weiteren Anstieg der Meeresoberflächentemperatur in der Nordsee hin. Laut derzeit existierenden Studien kann sich die Meeresoberflächentemperatur in der Nordsee bis Ende des 21. Jahrhunderts um 1–3 °C erwärmen. Entsprechend der unklaren Niederschlagsentwicklung und der somit ebenfalls unklaren Entwicklung der Wasserabflussmengen in den Flüssen, die in die Nordsee münden, ist die zukünftige Entwicklung des Salzgehaltes in der Nordsee derzeit ebenfalls unklar.

Der Meeresspiegel ist in der Deutschen Bucht innerhalb der letzten 100 Jahre etwa 15 bis 20 cm angestiegen.

Quelle: Hereon Meeresspiegelmonitor www.meeresspiegel-monitor.de

Quelle: Hereon Meeresspiegelmonitor www.meeresspiegel-monitor.de

Eine unge­wöhnliche Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs wurde hier in den letzten Jahrzehnten bisher nicht festgestellt. Dennoch ist ein fortlaufendes Monitoring des Meeresspiegel­anstiegs und dessen Geschwindigkeit sehr wichtig, denn selbst bei einem starken künftigen Meeresspiegelanstieg in der Nordsee, z. B. um 2 m bis 2100, könnte die damit einhergehende deutliche Beschleunigung des relativen mittleren Meeresspie­gelanstiegs in der Deutschen Bucht voraussichtlich nicht vor den 2020er­ Jahren eindeutig detektiert werden. Hohe Wasser­stände und Sturmfluten können im Wesentlichen durch den Meeresspiegelanstieg, durch wasserbauliche Maßnahmen und durch ein verändertes Windklima höher auflaufen.

Die Sturmaktivität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht systematisch geändert, sondern weist von Jahrzehnt zu Jahrzehnt starke Schwankungen auf. Daher laufen Nordsee­sturmfluten heute windbedingt nicht systematisch höher auf als vor einigen Jahrzehnten. Abgesehen von den regional sehr unterschiedlichen wasserbaulichen Maßnahmen, sind zuneh­mende Sturmfluthöhen hauptsächlich auf den Meeresspiegelan­stieg zurückzuführen.

Quelle: Hereon Sturmflutmonitor; www.sturmflut-monitor.de

Quelle: Hereon Sturmflutmonitor; www.sturmflut-monitor.de

Außerdem ist wegen des höheren Ausgangsniveaus weniger Wind notwendig, um Wasserstände auf Sturmflutniveau anzuheben. Dadurch hat sich auch die Sturmfluthäufigkeit erhöht.

Quelle: Hereon Sturmflutmonitor; www.sturmflut-monitor.de

Quelle: Hereon Sturmflutmonitor; www.sturmflut-monitor.de

Auch der Seegang ist maßgeblich vom Windklima abhängig. Dementsprechend haben sich die Wellenhöhen in den letzten Jahrzehnten bisher nicht systematisch verändert.

Der Meeresspiegel wird auch künftig weltweit und in der Nordsee weiter ansteigen. Je nach zukünftigem Treibhausgas­ausstoß kann der globale mittlere Meeresspiegelanstieg bis Ende des Jahrhunderts (2081–2100) etwa 30 bis 80 cm betra­gen. Aber auch extremere Anstiege sind nicht auszuschließen. Ergebnisse von Studien zu den künftig möglichen Meeres­spiegelanstiegen in der Nordsee bewegen sich im Rahmen der globalen Spannbreite. Die künftige Entwicklung von Sturmflut­wasserständen hängt neben dem Meeresspiegelanstieg weiterhin maßgeblich von der künftigen Entwicklung des Windklimas ab. Diese ist, wie zuvor beschrieben, unklar. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich bis Ende des 21. Jahr­hunderts Sturmintensitäten erhöhen und Stürme häufiger auftreten. Neben dem Meeresspiegelanstieg können Sturm­fluten somit künftig auch windbedingt höher auflaufen, bei Nordseesturmfluten insgesamt bis Ende des Jahrhunderts etwa 40–120 cm. Studien über den Seegang zeigen eine Zunahme der höchsten Wellenhöhen für die östliche Nordsee und das Skagerrak und teilweise eine Abnahme in der westlichen Nordsee.

Auch an der deutschen Ostseeküste hat sich die Wasseroberflächentemperatur erhöht. Diese Erwärmung um 0,6 °C pro Dekade seit Beginn der 1980er­Jahre ist vor allem auf einen Anstieg der Lufttemperatur zurückzuführen. Die stärkste Erhöhung der Wasseroberflächentemperatur ist künftig im nördlichen Teil der Ostsee zu erwarten und kann bis Ende des 21. Jahrhunderts 3–4 °C betragen. Auch die westliche Ostsee wird dieser Entwicklung folgen. Generell folgt die Erhöhung der Wasseroberfläche auch künftig der Entwicklung der Lufttempe­ratur, so dass die tatsächliche künftige Entwicklung stark von den künftigen Treibhausgasemissionen abhängt. Mit der Erwärmung der Wasseroberflächentemperatur ist auch eine Verringerung der Sauerstofflöslichkeit im Wasser verbunden, so dass sich die Sauerstoffarmut in der gesamten Ostsee ausbreiten wird.

Während das Wasser in der nördlichen Ostsee extrem salzarm ist, nimmt der Salzgehalt zur Nordsee hin (Großer Belt, Kattegat) zu. Bei Salzwassereinbrüchen strömt salzreiches Nordseewasser in die Ostsee und dringt hier bis in die Lübecker Bucht und das Arkonabecken vor. In den letzten 25 Jahren hat der Salzgehalt in der Ostsee abgenommen, wobei dies auf das seltene Auftreten der Salzwassereinbrüche zurückzuführen ist. Künftig erscheint aber eine weitere Abnahme des Salzgehaltes durch erhöhte Niederschlagsmengen über dem Ostsee­-Einzugsgebiet plausibel.

Im letzten Jahrhundert ist der mittlere Wasserstand in der südwestlichen Ostsee um etwa 15 cm angestiegen. Wasserstandsauswertungen auf Basis stündlicher Daten reichen nur bis in die 1950er­Jahre zurück. Seitdem treten Sturmfluten an der deutschen Ostseeküste nicht systematisch häufiger auf.

Quelle: Hereon Sturmflutmonitor; www.sturmflut-monitor.de

Quelle: Hereon Sturmflutmonitor; www.sturmflut-monitor.de

Auch höchste Sturmflutwasserstände haben sich in diesem Zeitraum nicht nennenswert verändert. Dauer und Intensität der Ostseesturmfluten haben sich an der deutschen Küste in den letzten Jahrzehnten etwas verringert, wobei diese Entwick­lung bisher nur in Travemünde als statistisch signifikant zu werten ist (vgl. www.sturmflutmonitor.de).

Wie bereits beschrieben, kann sich der Meeresspiegel bis Ende des 21. Jahrhunderts (2081–2100) im Vergleich zur Gegenwart (1986–2005) um weitere 30–80 cm erhöhen. In der Ostsee erfolgt zudem eine Überlagerung durch nacheiszeitliche Ausgleichsbewegungen der Erdkruste, durch die der künftige relative Meeresspiegelanstieg in der Ostsee je nach Region deutlich von den Werten des projizierten globalen mittleren Meeresspiegelanstiegs abweichen kann.

Die zukünftigen Sturmflutwasserstände können, hauptsächlich durch den mittleren Meeresspiegelanstieg bedingt, Ende des 21. Jahrhunderts etwa 30–80 cm über den heutigen Wasser­ständen liegen. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der nacheiszeitlichen Landhebung an unseren Küsten kann eine weitere Zunahme der Sturmflutwasserstände um etwa 20 cm erwartet werden.