Hochwasserkarten für eine zielgerichtete Risikokommunikation
Extreme Hochwasserereignisse wie die Augusthochwasser an der Elbe 2002 haben die Bevölkerung in der Vergangenheit z.T. unvorbereitet getroffen und sind nicht zuletzt dadurch in ihrer katastrophalen Wirkung noch verstärkt worden. Eine verbesserte Risikokommunikation könnte dazu beitragen, die Folgen zukünftiger Extremereignisse zu mindern. In diesem Zusammenhang werden Hochwasserkarten häufig als ein wesentliches Mittel der Risikokommunikation gegenüber der Bevölkerung aber auch als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für die zuständigen Behörden im Hochwasserrisikomanagement und Katastrophenschutz angeführt.
Bei Hochwasserkarten wird im Allgemeinen zwischen Gefahrenkarten und Risikokarten unterschieden. Gefahrenkarten zeigen dabei die voraussichtlichen Eigenschaften möglicher Hochwasserereignisse unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit, also Ereignissen, die mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit beispielsweise alle 50, 100 oder 200 Jahre auftreten. Wesentliche Inhalte dieser Karten sind die räumliche Ausdehnung der dargestellten Ereignisse und die zu erwartende Überflutungstiefe im betroffenen Gebiet (vgl. Abb.1).

Abb.1: Beispiel für eine Hochwassergefahrenkarte - aus: MERZ, B., M. GOCHT, A. THIEKEN (2005): Hochwasserkarten im Rahmen der Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser. In: Hochwasser-Gefahrenkarten Teil 1: Beiträge zum Erfahrungsaustausch Hochwassergefahrenkarten am 24. November 2004 in Erfurt (H.-B. Kleeberg; Hrsg.). Forum für Hydrologie und Wasserbewirtschaftung, Heft 08.05, S. 51-70
Risikokarten ergänzen diese Informationen um die möglichen Konsequenzen der betrachteten Ereignisse, also die zu erwarteten Schäden, die betroffene Bevölkerung etc. Zeigen diese Karten die zu erwartenden Konsequenzen für ein spezifisches Ereignis mit einer bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeit, so werden sie zumeist als Schadenskarten oder ereignisspezifische Risikokarten bezeichnet. Risikokarten im eigentlichen Sinne beziehen sich auf das gesamte Spektrum möglicher Hochwasserereignisse und zeigen deren Konsequenzen als durchschnittlichen jährlichen Schadenserwartungswert.
Die von der EU 2007 verabschiedete Richtlinie über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken verlangt von allen Mitgliedsstaaten bis zum Jahre 2013 die Erstellung von Hochwassergefahren- und -risikokarten - zumindest für Gebiete, in denen aufgrund von vergangenen Ereignissen mit einem Hochwasserrisiko zu rechnen ist. Die Risikokarten sollen dabei mindestens Informationen über die potenziell betroffene Bevölkerung, die wirtschaftlichen Aktivitäten im betroffenen Gebiet sowie mögliche Umweltschäden enthalten. Die Karten sollen einerseits der Information der Öffentlichkeit, andererseits als Grundlage für die Entwicklung von Hochwasserrisikomanagmentplänen dienen. Empfehlungen z.B. seitens der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser unterstützen die zuständigen Behörden bei der Erstellung der Karten gemäß den Anforderungen der EU-Richtlinie.
Doch erfüllen die derzeitigen Hochwasserkarten tatsächlich die Erwartungen und Bedürfnisse der Endnutzer? In dem von mehreren europäischen Staaten geförderten Forschungsprojekt RISK MAP wird derzeit untersucht, wie die Risikokommunikation durch Hochwasserkarten verbessert werden kann. Dazu wurde in fünf europäischen Fallstudien in Österreich, Frankreich, England, Bayern und Sachsen untersucht, wie die derzeitige Praxis bei der Erstellung von Hochwasserkarten aussieht und auf Grundlage von Interviews und Workshops ermittelt, welche Erwartungen und Anforderungen unterschiedliche Nutzergruppen – Risikomanager, Katastrophenschützer, aber auch die betroffene Bevölkerung – an Hochwasserkarten haben.
Ein wesentliches Ergebnis dieser Untersuchungen ist bislang, dass die Erwartungen und Anforderungen stark von der Nutzergruppe abhängen. Während beispielsweise die von der EU-Richtlinie geforderten Inhalte von Risikokarten insbesondere für die zukünftige Maßnahmenplanung von Interesse sind, so ist die betroffene Bevölkerung eher an leicht verständlichen Gefahrenkarten interessiert. Viele Katastrophenschützer hingegen wünschen sich vor allem eine Kombination von Gefahrenkarten mit der Darstellung von Gefahrenschwerpunkten, wie kritischen Infrastrukturen und der Anzahl der zu evakuierenden Personen, aber auch eine Integration von Einsatzinformation im Katastrophenfall in die Karten, wie z.B. Evakuierungsrouten, Sammelpunkten oder die Lage der Krisenstäbe. Eine Trennung von Risikokartierung und -management, wie in der EU-Richtlinie vorgesehen, erscheint somit zumindest für den Bereich des Katastrophenmanagements nicht sinnvoll.

Abb.2: Testperson beim Eye-Tracking Test (Quelle: Fuchs et al. 2009)
Weitere Empfehlungen des Projektes zielen auf die Visualisierung von Hochwasserkarten. Bei sogenannten Eye-Tracking-Tests wurden Testpersonen unterschiedliche Karten für eine kurze Zeitspanne gezeigt und dabei ihre Augenbewegungen aufgezeichnet (Abbildung 2). Es zeigte sich, dass insbesondere Informationen, die in einer einfachen Farbskala deutlich vom Hintergrund abgehoben wurden, aber auch Symbole und Text innerhalb der Karte schnell von den Testpersonen erfasst und aufgenommen wurden (siehe auch Abbildung 3). Auch hier zeigten jedoch unterschiedliche Nutzergruppen unterschiedliche Anforderungen. Während Experten im Hochwasserrisikomanagement eher in der Lage sind, komplexe und abstrakte Informationen, wie z.B. Risikokarten im engeren Sinne zu erfassen, benötigt insbesondere die betroffene Bevölkerung ereignisspezifische Karten mit einer intuitiv verständlichen Farbgebung und Symbolik.

Abb. 3: Empfehlungen zur Gestaltung von Hochwasserkarten (Quelle: Fuchs et al. 2009)
Einige dieser Erkenntnisse sind nicht neu und finden sich auch bereits z.B. in den o.g. Empfehlungen der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser wieder. So wird bereits dort beispielsweise empfohlen, die Anzahl der betroffenen Einwohner durch Symbole darzustellen. Die Beteiligung der Endnutzer beim Erstellungsprozess von Hochwasserkarten kann aber auch bei der zukünftigen Weiterentwicklung von Hochwasserkarten sehr hilfreich sein, die Karten zielorientierter zu gestalten. Dabei können nicht nur die Anforderungen der unterschiedlichen Nutzergruppen an Inhalt und Visualisierung erfasst werden, sondern zusätzlich auch das Fachwissen z.B. lokaler Experten mit aufgenommen werden. Im Zuge des Projektes RISK MAP wird diesbezüglich eine Software entwickelt, die es dem Nutzer erleichtern soll, sich die Hochwasserkarten nach eigenen Bedürfnissen zusammenzustellen.

Helmholtz-Zentrum
für Umweltforschung - UFZ
Department Ökonomie & Department Stadt- und Umweltsoziologie
volker.meyer@ufz.de

Helmholtz-Zentrum
für Umweltforschung - UFZ
Department Ökonomie & Department Stadt- und Umweltsoziologie
Christian.Kuhlicke@ufz.de
- Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Wasser – LAWA (Hrsg.) (2010) Empfehlungen zur Aufstellung von Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten.
- De Moel H, van Alphen J, Aerts J C J H (2009) Flood maps in Europe – methods, availability and use. Nat. Hazards Earth Syst. Sci. (2009) 9
- European Commission (Hrsg.) (2010) Risk Assessment and Mapping Guidelines for Disaster Management. Commission Staff Working Paper
- EXCIMAP – European exchange circle on flood mapping (Hrsg.) (2007) Handbook on good practices for flood mapping in Europe
- Fuchs S, Spachinger K, Dorner W, Rochman J, Serrhini K (2009) Evaluating cartographic design in flood risk mapping. Environmental Hazards (2009) 8
- Merz B, Thieken A H, Gocht M (2007) Flood risk mapping at the local scale: Concepts and challenges. In: Flood Risk Management in Europe: Innovation in Policy and Practice
- Meyer V, Scheuer S, Haase D (2009) A multicriteria approach for flood risk mapping exemplified at the Mulde river, Germany. Nat Hazards (2009) 48